Pura Vida liebe LeserInnen!

Ich bin Timo, 16 Jahre alt und habe beschlossen ein ganzes Jahr in Costa Rica zu verbringen. Die erste Frage, die ich meistens höre ist „Warum Costa Rica?“. Nun Costa Rica klingt schon unglaublich cool und wenn man sich näher damit befasst merkt man auch schnell, dass es das wirklich ist zumindest meiner Meinung nach. Dann kommt meistens die Frage „Muss das nicht sehr schwer für dich sein?“. Da gilt für mich einerseits ja und andererseits nein. Nein weil ich das beschlossen habe, als es noch in viel zu weiter Zukunft war und noch gar nicht greifbar war. Für mich hat es ziemlich lange gedauert, bis ich es tatsächlich realisiert habe. Das muss irgendwann kurz nach meiner Ankunft gewesen sein. Als ich es dann tatsächlich so wahrgenommen habe, dass ich jetzt hier bin. Zudem war ein Auslandsjahr auch schon immer ein Kindheitstraum für mich. Aber auch ein bisschen ja, weil es natürlich ein anderes Land mit einer anderen Kultur und einer anderen Sprache (die ich übrigens nicht wirklich kann) ist. Mehr dazu und einige Erlebnisse folgen sogleich.

Heute, also der Tag an dem ich das schreibe, der 13.08.2017 ist der Tag an dem ich seit einer Woche bei meiner Gastfamilie bin. Angekommen bin ich am 04.08. nach einer halben Weltreise, angefühlt hat es sich zwar wie eine ganze, aber ich habe den Flug zum Glück recht gut überstanden.

Die ersten Tage habe ich im Orientation Camp verbracht. Für alle die nicht wissen was das ist, ein Orientation Camp ist das Camp in das du meist direkt nach deiner Ankunft kommst. Bei uns war es so, dass wir vom Flugzeug, durch einige Kontrollen, zur Gepäckabholung gekommen sind und von dort wurden wir dann von einigen Freiwilligen abgeholt und ins Camp gebracht.

In dem Camp haben wir alles mögliche über das Land gelernt. Ich will euch nicht mit Details quälen, also kurz gesagt haben wir über typische Familien in Costa Rica, potentielle Gefahren und allgemeine Sitten Bräuche des Landes gelernt.

Was ich vielleicht noch erklären muss ist, was „Pura Vida“ bedeutet. Das ist eine Floskel die es nur in Costa Rica gibt, man kann sie also gar nicht so richtig übersetzen. Tut man das trotzdem heißt es „pures Leben“ was soviel bedeutet wie, genieße das Leben. Es spiegel gleichzeitig auch die Lebenseinstellung in Costa Rica wider. Die Ticos und Ticas, wie die Einwohner hier genannt werden, sind nicht umsonst eine der glücklichsten Kulturen der Erde. Aber wie gesagt richtig übersetzen kann man diesen Satz nicht, man muss es mindestens einmal gehört haben, um es tatsächlich zu verstehen.

Am Sonntag Vormittag sind wir dann in aller Früh aufgestanden um in unsere Host Communities zu fahren. Also die für uns zuständige Provinz sozusagen. Von dort aus sind wir dann von unserer Gastfamilie abgeholt worden.

Niemand kann sich vorstellen wie es ist das erste Mal seine Gastfamilie zu sehen. Man bekommt vorher schon Seiten an Infos über die Familie, das Haus, die Lage und auch alles mögliche andere, aber wenn es dazu kommt, dass die eigene Gastfamilie durch die Türe hineinkommt, die du schon seit einer gefühlten Ewigkeit anstarrst, weil du nichts anders zu tun hast, andererseits ist da diese enorme Anspannung, die Erwartung und all diese Fragen. „Sind sie auch nett? Werden sie mich auch herzlich aufnehmen? Werde ich mich wohlfühlen?“ Und viele, viele mehr. Hätte dieser Blogeintrag ein Limit würde ich mir schon Sorgen machen, wenn ich nur die Hälfte aufzählen würde, glücklicherweise hat er das nicht. Dennoch will ich euch nicht langweilen, also zurück zum Thema. Da ist also dieses Gefühl an überschwänglicher Freude und Erwartungshaltung, wenn man die Familie einmal erblickt hat. Dann ging bei mir alles ziemlich schnell.

Ich muss vielleicht noch sagen, dass ich bevor ich nach Costa Rica gekommen bin, kaum bis praktisch gar kein Spanisch gesprochen habe. Ich konnte mich vorstellen und Hallo sagen, und ich konnte fragen „wie gehts dir?“, aber das wars dann auch schon so ziemlich. Vereinzelt konnte ich noch ein paar Wörter, aber nichts Großartiges. Ich stehe also vor meiner Gastmama und zwei meiner Brüder und weiß nicht was ich sagen soll.

Ein AFS Freiweilliger hat noch ein Foto von uns vier geschossen und dann waren wir für uns. Ich erinnere mich noch als wäre es gestern gewesen (es ist ja erst eine Woche her, haha), als mich meine Mama gefragt hat, ob ich glücklich bin und ich sie nicht verstanden habe. Das war schon etwas schwierig, ich habe mich nachher ziemlich schlecht gefühlt.  Aber, zu meinem Glück spricht Xavier fließend Englisch und hat für mich von da an übersetzt, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Im Nachhinein, wenn ich nochmals die Möglichkeit hätte auf diese erste Frage zu antworten, würde ich mit einem klaren und eindeutigem „Ja und wie“ antworten.

Denn so gefällt es mir hier. Ich habe mich schon ein wenig in die Familie eingelebt. Abgeholt haben mich meine Mama, Jessenia, mein Bruder, Xavier, von dem ich schon kurz geschrieben habe und Sandro. Sandro sind meine ältesten beiden Brüder. Kurz darauf habe ich Sergio kennengelernt, mein dritter Bruder. Anschließend gab es Essen, vorzügliches „Gallo Pinto“ was so viel heißt wie Reis und Bohnen. Kurz nach dem Essen kam dann auch meine Schwester Cristal, auch Lili genannt nachhause gekommen. Und selbst wenn es noch eine große sprachliche Barriere zwischen uns gibt, an der ich im Übrigen die ganze Zeit arbeite, haben mich alle herzlichst aufgenommen und als neues Familienmitglied akzeptiert. Ich habe wohl ein zwei Tage gebraucht bis ich das erkennen konnte, weil für mich ja alles (und mit alles meine ich wirklich alles) neu war, und für meine Familie gerade einmal ich. Aber nach dieser Zeit habe ich wirklich begonnen mich zuhause zu fühlen.

Das was ich hier zuhause nenne, wo ich wohne und wo ich mich wohl fühle ist für österreichische Verhältnisse ein sehr kleines Haus, mit gerade einmal einer kleinen Küche, einem Wohnzimmer, welches gleichzeitig Eingangsraum ist, einem eher kleinem Bad und drei Schlafzimmern. Das mag vielleicht gar nicht alles so klein klingen für sechs Personen wird es aber dann doch recht schnell sehr kuschelig. Aber ich will mich gar nicht beklagen, ich mag es sogar sehr. Ich war am Anfang zwar etwas überrascht, habe aber schnell herausgefunden, dass Ticos und Ticas einfach nicht so viel brauchen um zu leben und glücklich zu sein.

Mich faszinieren hier immer wieder sämtliche Dinge. Wie z.B. das Haus, aber auch ganz banale Situationen wie das Essen eines Steaks. Wie würdet ihr in Österreich ein Steak essen? Mit Messer und Gabel, richtig? So würdet ihr es auch in Costa Rica tun? Falsch gedacht. Hier isst man, zumindest zuhause ein Steak mit den Finger, fast wie einen Burger oder einen Apfel. Nur mit mehr Knochen. Und überhaupt nicht wie ein Apfel, eher wie ein Burger, aber eben ohne Brot oder sonst irgendetwas. Nun ja ein Steak eben.

Was mir mein Bruder, Xavier, erzählt hat, halte ich für sehr richtig. In Costa Rica sind die Leute so glücklich, weil sie sich viel weniger Gedanken machen. Sie leben im Hier und Jetzt und sind glücklich damit. Sie interessieren sich nicht für Temperaturen, denn ist in Augen eh immer warm, einen Regenschirm sollte man nur immer mithaben, denn es kann wirklich jederzeit zu regnen beginnen. Stell dir vor du gehst raus bei wolkenlosem Himmel denkst überhaupt nicht an ein Unwetter oder etwas in der Art und eine halbe Stunde später regnet es plötzlich. Wie aus heiterem Himmel, ist hier mehr als nur eine Redensart. Ebendieses Lebensmotto gilt für das Essen eines Steak.

Eine weitere Situation die mich fasziniert und die mich schon recht am Anfang aufgefallen ist, ist das Autofahren hier. Es ist nicht, dass die Einwohner hier nicht fahren könnten. Es kommt mir nur so vor, als ob sie sich kein bisschen für Straßen Regeln interessieren würden. Ampeln stehen hier anscheinend nur zur Verzierung und die wenigen Zebrastreifen die es gibt, werden entweder nicht benützt, weil sie zu weit weg sind, oder sie werden von den Autofahrern ignoriert. Was beides so ziemlich zum selben Ergebnis führt, nämlich zur Nutzlosigkeit, bzw. zum Deko-Objekt. Trotzdem schaffen es alle Beteiligten trotz Missachtung sämtlicher, von mir als Europäer gewohnten, Regeln, keinen Unfall zu verursachen. Es ist mir ein Rätsel, vielleicht werde ich mit der Zeit herausfinden woran das liegt. Aber auch hier stimmt wieder was Xavier gesagt hat, es interessiert sie einfach nicht, sie denken nicht an die Konsequenzen und das macht sie glücklich.

Aber kommen wir wieder zurück zu meinem ersten Tag. Der war bis auf weiteres belanglos, ich habe mich in meinem Zimmer, das ich mir mit Sandro teile, eingerichtet, meine erste Spanisch-Stunde genossen und bin dann hundemüde von der Reise schlafen gegangen.

Apropos hundemüde. Wir haben hier drei Katzen (was für eine Überleitung). Drei echt süße und kuschelbedürftige Katzen die mich ebenso schnell akzeptiert und aufgenommen haben, wie meine Familie. Sie sind ja auch in gewisser Weise Teil der Familie. So sagt zumindest meine Mama immer, die total vernarrt in ihre Katzen ist. Und ich muss sagen ich habe sie ebenso schnell in mein Herz aufgenommen.

Die nächsten Tage waren reichlich bestückt mit Einkaufstouren, egal ob für die Schuluniform, für Geld, dass ich abheben musste, oder für sonstiges, es gab immer etwas zu tun.

Was hier in Costa Rica auch reichlich getan wird ist essen. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel an einem Tag gegessen. Ticos und Tica sind es gewohnt vier bis fünf ausgiebige Mahlzeiten am Tag zu haben, was für mich, einen Menschen der zwei bis drei Mahlzeiten täglich hat, unvorstellbar viel ist. Meine Gastmama hat mich sogar schon gefragt, ob mir das Essen nicht schmeckt, weil ich nur „so wenig“ esse, aber ich bin es prinzipiell gewohnt nicht so viel zu essen. Ich finde das Essen hier ausgesprochen deliziös. Egal ob Reis mit Bohnen, frittierte Bananen oder einfach nur Huhn mit Reis, es schmeckt alles viel besser als zuhause. Generell essen wir hier alles mit Reis und Bohnen, manchmal nur Reis und Bohnen, manchmal eben mit etwas anderem. Vielleicht auch nur weil es etwas neues, bzw. anders ist, aber bis jetzt hat mir alles geschmeckt und ich habe alles gerne gegessen solange es nicht zu viel war.

Das Kaufen der Schuluniform wäre schon Abenteuer genug gewesen, wir waren nämlich in mindestens sechs verschiedenen Geschäften für sämtliche Teile der Uniform und in einigen mehrmals, da wir gewisse Sachen nicht in meiner Größe gefunden haben und es richten lassen mussten.

Aber ich habe meine erste Woche auch noch anderes gemacht. Ich habe ja das Privileg genossen trotz Schulzeit diese nicht besuchen zu müssen, da es meine Schule für besser erachtet, dass ich mich erst in der Familie einlebe. Sonst hätte ich nämlich direkt am Tag nach meiner Ankunft bei meiner Gastfamilie die Schule besuchen müssen. Ich habe meine verlängerten Sommerferien noch in vollen Zügen genossen.

Gleich am ersten Tag war ich mit meinem Bruder, Sergio, Basketball spielen und am Abend auf einem „Konzert“ einer seiner Freunde, der in einer kleinen Bar in der Stadt gespielt hat. Ich habe das als sehr wertvolle Erfahrung empfunden, da ich einen groben Überblick über einen Teil der Costa-ricanischen Musik gehört habe. Anschließend haben wir drei also Sergio, Fernando, der Sänger der Band und Freund von Sergio, und ich Billard gespielt.

Am Montag waren meine Mama und ich, mich in der Schule einschreiben. Wir haben ein wenig mit dem Direktor geredet, was bedeutet sie hat geredet und ich habe versucht zu verstehen und bin gescheitert. Dann hat uns meine Schwester und eine Freundin von ihr getroffen und sie haben beschlossen mir ein wenig die Schule zu zeigen, was mich direkt vor meinem ersten Schultag schon deutlich zuversichtlicher stimmt. Ich habe also große Teile bereits gesehen und ein zwei Mitschüler und einige Angestellte der Schule bereits kennengelernt. Trotz alledem bin ich ziemlich nervös was morgen betrifft. Ich habe mit Lili und Sergio die letzten Tage viel geübt mich vorzustellen, mit allem was dazugehört. Sandro hat mir dann noch einiges über typische Konversationen beigebracht, aber dennoch bin ich ziemlich aufgeregt. Ich weiß nicht wie meine Klasse sein wird, wie die Lehrer sein werden, ob ich jemanden verstehen werde oder nicht, aber all das wird sich bald zeigen und das könnt ihr dann in meinem nächsten Eintrag lesen.

Die darauffolgenden Tage waren nicht ganz so voll mit Ereignissen, ich war unzählige Male in der Stadt, habe einige Mahlzeiten ausprobiert die ich vorher nicht kannte. Am Donnerstag war es, glaube ich, als mich meine Schwester mit zur Tanzschule genommen hat. Ja ihr habt richtig gehört. Ich und Tanzschule. Aber fangen wir ganz am Anfang an. Ich hab kein besonderes Talent zum Tanzen. Ich würde sogar sagen, dass ich ziemlich schlecht tanze. Die Idee kam meiner Schwester bereits am Tag an dem ich das erste Mal in der Schule war. Also der Tag an dem ich mir die Schule angesehen habe und ich eingeschrieben wurde. Sie und ihre Freundin hatten die geniale Idee mich mitzunehmen, ich habe gesagt ich überleg es mir und so ist es dazu gekommen, dass ich tatsächlich in die Tanzschule gegangen bin. Zuerst habe ich nur ein bisschen zugesehen, und dann hat mir meine Schwester gedeutet, ich sollte mich doch neben sie stellen und einfach mal mitmachen. Gesagt getan, ich war sicherlich nicht der eleganteste Tänzer, aber wie ich später erfahren habe meinte mein Lehrer ich würde sehr schnell lernen und sollte auf jeden Fall dran bleiben. Mir hat es auch tatsächlich auch Spaß gemacht, ich werde zwar noch viel lernen müssen, aber ich werde auf jeden Fall weitermachen. Außerdem ist das eine der wenigen Zeiten die ich bis jetzt mit meiner Schwester verbringen konnte. Ältere Brüder sind zwar wirklich toll aber ich bin auch ab und zu gerne mit gleich alten unterwegs.

Und schon ist meine Woche beinahe um. Ich sitze hier gerade und esse Mango mit Zitronensaft und Salz. Klingt nicht besonders appetitlich ist es aber auf jeden Fall.

Das Wochenende habe ich bis auf zwei Besuche in der Stadt zuhause verbracht. Ich habe in der Zeit zwei neue Kartenspiele gelernt, an dessen Namen ich mich nicht erinnern kann und einige Partien Schach gespielt.

Zum Schluss muss ich noch kurz sagen, dass es mir hier ziemlich gut geht, ich das schöne Wetter genieße und mich bereits richtig gut mit meinen Geschwistern, sowie meiner Mama verstehe.

Ich wünsche euch allen die noch Ferien haben, eine wunderschöne Zeit, genießt sie. Und hier mit verabschiede ich mich auch schon!

Ganz liebe Grüße und Pura Vida aus Costa Rica

Timo

PS: Für alle die es bis hier geschafft haben und mich nicht kennen, gerade wenn ihr vielleicht oder auch schon sicher zukünftige Austauschschüler seid, und ihr vielleicht nach Costa Rica wollt, oder allgemein etwas über ein Auslandsjahr wissen wollt, könnt ihr mich gerne bei Fragen oder sonstigen Angelegenheit unter [email protected] erreichen. Ich werde gerne soweit ich kann eure Fragen beantworten.