Meine ersten finnischen Wörter waren lakatut varpaankynnet und suomalaiset on omituisia, was so viel heißt wie lackierte Zehennägel und die Finnen sind seltsam. Heute machen ich mir etwas Sorgen, dass ich die vergangenen Monate nicht in vernünftige Versuche die Sprache mit 16 Fällen zu lernen, investiert habe. Ein paar verhaltene Lacher werde ich mir damit hoffentlich trotzdem einhandeln können um das Eis zu brechen, aber um ehrlich zu sein bin ich gar nicht so lässig und entspannt was das Ganze angeht. In meinem Kopf spielt sich das Szenario ab, bei dem ich vor meiner Klasse stehe und nicht weiß wann ich nett lächeln darf um so zu tun, als hätte ich auch nur irgendetwas verstanden um dann an den falschen Stellen ein (wie ich befürchte) nicht sehr passendes, nicht akzentfreies und womöglich eh unverständliches Suomalaiset on omituisia rauszuhauen.

Da ich von Natur aus nicht mit übermäßiger Herzlichkeit, Freude und dem nötigen Elan den so ein Vorhaben benötigt, gesegnet wurde, habe ich auch klitzekleine Befürchtungen wie die Begrüßung am Flughafen/Bahnhof ausfallen könnte…

Warum eigentlich Finnland?

Aber um von ganz vorne zu beginnen, ich habe mich für Finnland entschieden wegen der Natur, der Sprache, der Musik, der Kultur, dem Klima, der Abgeschiedenheit und Bodenständigkeit, aber mein eigentlicher Grund war, dass ich durch Zufall auf eine Internetseite gestoßen bin die die Klischees der Finnen auflistet. Was andere als unangenehme Stille auffassen ist für mich Entspannung pur. Für andere bedeutet saunieren schamlos mit irgendwelchen Fremden nackt aufeinandergestapelt in einer Höllenhütte zu sitzen. Naja ihr wisst auf was das hinausläuft. (btw ich liebe Sauna; hoffe das macht den „die Finnen sind seltsam“-Spruch wieder wett.)

Das waren meine Gründe. Manch einer denkt sich vielleicht ‚Oh wie toll, das passt ja perfekt.‘ Das denke ich mir natürlich auch, sonst hätte ich mich ja nicht für Finnland entschieden, aber stellt euch mal vor wie die Begrüßung zwischen mir und meiner Gastfamilie ausfallen könnte. Etwas in einen Blog zu schreiben ist so viel einfacher als mit jemanden von Angesicht zu Angesicht zu sprechen. Vor allem wenn wann weiß, dass man bei diesem jemanden die nächsten sechs Monate leben wird. Als ich das erste Mal mit meiner Familie geschrieben habe, hab ich vier Stunden gebraucht um was Vernünftiges zusammen zu kritzeln. Ich gebe mich immer total eloquent, selbstbewusst und was weiß ich noch und im real life stehe ich wahrscheinlich sabbernd in irgendeiner Ecke und bringe kein Wort heraus.

Ich sehe mich am Flughafen stehen wie ich businessmäßig meinen Trolli hinter mir herziehe, die Augen offen und starr auf meine neue Familie gerichtet, ohne das Gesicht auch nur andeutend zu einem Lächeln zu verziehen. Und andersrum genauso.
Natürlich weiß ich (hoffe ich), dass es nicht so wird, aber irgendwo in meinem Kopf schwirrt das Ganze trotzdem rum.

Vorbereitungen im Minusbereich

Am 19. August ist mein Abflugtermin und ich habe mich null vorbereitet, meine Vorbereitungen liegen im dreistelligen Minusbereich. Ob ich immer so gelassen bin? Ne, wohl eher weniger…Eigentlich bin ich der Typ der zwei Monate im voraus eine Liste, für die Liste der Liste macht damit ich ja nicht auf meine Liste vergessen und eigentlich hätte das auch sehr gut geklappt, wenn ich es einfach so gemacht hätte. Aber irgendwie steht mir mit diesem neuen Lebensabschnitt der Sinn nach etwas Spontanität.

Meine „Vorbereitungen“ bestehen darin mir dauernd Lieder von der finnischen Band ‚Happoradio‘ reinzuziehen (damit ich auch schön angeben kann wie gut mein Finnisch schon ist), eine Playlist und Bücherliste für den Flug zusammenzustellen, allen wichtigen Leuten zu sagen sich Skype einzurichten, alle Titel der Sherlock Holmes-Bücher auf Finnisch zu übersetzen und geeignete Büchereien in der Nähe des Hauses meiner Gastfamilie zu finden. Das war’s eigentlich schon.

Abschließend möchte ich sagen, so pessimistisch das Ganze auch klingt, ich freue mich riesig darauf. (Ich klinge halt immer so.) Meine Gasteltern sind mega sympathisch und auch mit der Lage bin ich 100%ig zufrieden und ich freue mich einfach nur darauf, dass es endlich losgeht. Zweifel und Ängste sind meiner Meinung nach ganz normal, besser als unrealistische Vorstellungen zu haben und dann enttäuscht zu werden.

PS: Ich hoffe ich kann die Bücher bei diesem Buchladen wirklich bestellen, damit ich die finnische/peinliche Stille mit etwas britischem Drama nach meinem Geschmack untermalen kann.