Pura Vida liebe LeserInnen!

Ich bin es wieder. Heute ist Samstag , der 19. August und ich melde mich von einer erstaunlich kurzen Schulwoche zurück. Vorab möchte ich noch gerne anmerken, dass ich meinen ersten Schultag heil überstanden habe und wieder sicher zuhause angekommen bin. Aber langsam. Ich bin mit meiner Mama in die Schule gefahren, weil sie noch irgendetwas klären musste. Alles war gut, doch dann ist meine Mama gegangen und ich war mehr oder weniger alleine. Meine Schwester war zwar noch da, aber ich wusste nicht so recht was ich tun sollte. Sie konnte es mir auch nicht erklären. Ich dachte ich müsste in eine Klasse, wo wir aber nicht hingegangen sind. Also habe ich beschlossen Xavier zu fragen was ich tun soll, da er mich dank seiner Englischkenntnisse deutlich besser versteht als die meisten anderen. Also hat er das Ganze geklärt und mir erklärt, dass diese Woche noch ein bisschen anders sei als die kommenden. Wir hatten nämlich nur Prüfungen, also Exámenes, wie sie dort genannt werden. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist in nächster Zeit das zweite Trimester vorbei, ich bin mir aber nicht sicher.

Denn, und da kommen wir schon zum nächsten Punkt, mein Spanisch ist (was für euch völlig logisch erscheint, für mich aber trotzdem frustrierend ist) noch immer nicht das Gelbe vom Ei. In der Schule fällt es mir immer noch schwer, irgendetwas zu verstehen, weil alle so schnell sprechen. Selbst wenn ich die einzelnen Wörter kennen und zuordnen könnte, wäre ich nicht in der Lage, ihnen zu folgen, weil ich die Wörter teilweise überhaupt nicht verstehe. Mir kommt es immer noch so vor als würden sie einfach zufällig irgendwelche Laute produzieren. Dann steh ich nur daneben und denke mir „Aha… versteh ich nicht.“ Das macht das Ganze nicht besonders einfach und aufbauend ist das schon gar nicht.

Die ersten Aufmerksamen unter euch werden sich sicherlich bereits denken „Aber im Titel steht ja ’sprachliche Fortschritte‘, aber das hört sich so gar nicht nach Fortschritt an.“ Womit ihr recht habt. Auf der einen Seite. Denn auf der anderen Seite gehe ich ja nicht nur in die Schule, sondern bin auch viel zuhause. Und zuhause lebe ich, wie ihr ja alle wisst, mit meiner Mama, meiner Schwester und meinen drei Brüdern. Dazu muss ich sagen, dass ich vor allem mit meinen Geschwistern viel besser reden kann, aus zwei Gründen: Der Erste ist, dass ich mich nicht schlecht fühle, wenn ich vor ihnen einen Fehler mache. Im Gegenteil, es ist sogar lustig. Ich lerne etwas, wir lachen und haben gleichzeitig etwas, worüber wir reden können. Bei meinen Freunden und Klassenkameraden fällt mir das Ganze jedoch noch um etliches schwerer. Es ist nicht, dass ich mich mit ihnen nicht gut verstehe, ich verstehe mich gut mit ihnen, Lachen ist universell verständlich und das tue ich bei jeder Gelegenheit, aber ich kenne sie bei Weitem noch nicht so lange und ich hab nicht so unglaublich viel mit ihnen zu tun, daher wird es sicher noch dauern, aber irgendwann werde ich mit ihnen bestimmt genauso unbeschwert reden können. Der zweite Grund ist, dass mich meine Geschwister viel besser verstehen. Das heißt, auch wenn ich einen Fehler mache, bzw. ich mich nicht richtig ausdrücke, verstehen sie, was ich meine. Umgekehrt ist das genauso. Natürlich machen sie keine Fehler im Spanischen, keineswegs, es ist ja auch ihre Muttersprache. Ich meine, wenn ich nicht genau verstehe, was sie mir sagen wollen, kann ich mir viel besser denken, was sie mir sagen wollen, oder mich fragen. Ganz egal was es ist, es ist schlicht und ergreifend viel einfacher mit ihnen.

Auch wenn ich erst die zweite Woche hier bin, habe ich meine ganze Familie bereits voll und ganz in mein Herz geschlossen. Ich liebe es, Zeit mit ihnen zu verbringen, egal ob ich mit Sergio Basketball spiele, mit Xavier quatsche, mich mit Lili über die Schule unterhalte oder ich Sandro, beim Ausschneiden einiger Schablonen, für seine Schüler helfe und er mir wieder ein wenig mehr Spanisch beibringt. Nicht zu vergessen natürlich meine Mom, die immer für uns da ist, kocht, die Wäsche macht und mich und auch meine Geschwister in jeder Hinsicht so gut sie kann unterstützt.

Heute hatten wir die „First Orientation“ das ist das erste Camp von unserem Local Chapter. Unser Local Chapter ist das Komitee an Freiwilligen, das für uns hier in Desamparados zuständig ist. Heute hatten wir das erste Treffen und das erste Resümee über unsere Gastfamilie und Costa Rica im Allgemeinen. Ich muss zugeben, ich habe es ziemlich langweilig gefunden, weil wir immer und immer wieder das Gleiche gefragt wurden, bzw wieder das gefragt worden sind, was wir sowieso schon auf den Vorbereitungscamps und dem Orientation Camp, von dem ich euch letzte Woche erzählt habe, gefragt wurden. Was ich dennoch sehr spannend gefunden habe war, dass wir die „älteren“ Austauschschüler getroffen haben. Mit ältere meine ich die, die schon im Februar angekommen sind. Sie sind mittlerweile schon sieben Monate in Costa Rica und wir konnten einige wertvolle Erfahrungen austauschen. Was mich persönlich anbelangt: Mich hat es sehr beruhigt zu hören, dass einige bei ihrer Ankunft genauso kein Spanisch konnten und dass sie es jetzt nach sieben Monaten bereits sehr flüssig sprechen. Sie haben uns versichert, dass wir nach einigen Monaten bereits einigermaßen kommunizieren können werden, was mich sehr positiv in Hinblick auf meinen weiteren Aufenthalt gestimmt hat.

Für morgen haben wir einen Ausflug geplant. Wir werden mit unserem Local Chapter und einigen Familienangehörigen, also meine Mama, Cristal und Sandro zum… Trommelwirbel… Strand fahren. Ja ihr habt richtig gehört Strand. Der Strand heißt „Playa Bandera“ was übersetzt so viel beudeutet wie „Strand Flagge“. Aus genau diesem Grund übersetzt man für gewöhnlich keine Namen. Ich bin schon sehr gespannt wie es sein wird. Der Strand liegt an der Südküste, also am Pazifischen Ozean. Ich weiß noch nichts Genaueres, werde euch aber sicherlich nächste Woche über den Ausflug informieren. Das Einzige was mich ein wenig stört ist, dass wir bereits um 5:30 außer Haus müssen. Das bedeutet allerspätestens fünf Uhr morgens aufstehen.

Ich muss vielleicht sagen, dass ich alles andere als ein Morgenmensch bin. So richtig wach werde ich ab Mitternacht und auch wenn ich es mir nicht immer anmerken lasse, ich hasse den Morgen und frühes Aufstehen. Am liebsten liege ich bis zehn Uhr wach und gehe erst später in der Nacht schlafen. Aber das werde ich hier nicht erleben. Hier stehen Menschen anscheinend generell früher auf. Meine Schwester zum Beispiel steht unter der Woche um fünf Uhr und am Wochenende um sechs Uhr auf. Auch meine Mama ist immer schon wach wenn ich aufstehe, was übrigens niemals vor 5:30 ist. Meine Brüder schlafen etwas länger, aber auch sie sind gerade an Wochenenden viel früher wach als ich.

Dabei haben es die Ticos und Ticas hier sonst gar nicht mit Zeit. Hora Tica sag ich nur. Das wird sicherlich nicht jedem von euch ein Begriff sein, also zur Erklärung. Hora Tica bedeutet übersetzt, die Stunde der Tica. Das wiederum bedeutet, wenn man sich ein Treffen für acht Uhr ausmacht, sollte man damit rechnen, dass man sich erst um 8:30 trifft. Ticos meinen das gar nicht respektlos, aber es ist ihr Gemüt, ihre Denkweise. Wie ich im letzten Blog beschrieben habe, machen sich die Einwohner Costa Ricas nicht viele Gedanken und sind einfach glücklich mit dem Moment und was sie in diesem haben. Daher kommt es eben auch, dass man eine Stunde zu spät ist.

Ich persönlich durfte das schon erfahren als ich mit Schuhen und Weste und meinen ganzen Sachen dagesessen bin nachdem ich meinen Bruder gefragt habe „Vamos?“ (Gehen wir?) Und was soll ich sagen, eine halbe Stunde später sind wir also wirklich gegangen. Von dem Zeitpunkt an wusste ich, dass jetzt hier in Costa Rica nicht jetzt bedeutet, sondern viel eher jetzt in den nächsten zehn oder vielleicht mehr Minuten.

Aber zurück zum Thema Schule, nur um es hinter mich zu bringen. Wie ich ja bereits oben erwähnt hatte, haben wir in meiner ersten Schulwoche nur Tests und keinen regulären Unterricht gehabt. Ich will euch nicht von jedem einzelnen erzählen, weil jeder in etwa gleich abgelaufen ist. Am Anfang sind Fragen zum Ankreuzen, da habe ich geraten und dann kommt ein Teil mit Fragen wo man die Antwort schreiben muss. Das habe ich bei jedem Test einfach ausgelassen. Wird wohl weniger positiv enden, aber zum Glück bekomme ich ja kein Zeugnis in dem Sinn. Es gab dennoch zwei besondere Tests. Der erste war am Montag über Excel. Der wäre für mich genauso unlösbar gewesen, auch wenn der Ablauf etwas anders war, aber wir hatten eine ziemlich nette und bemühte Professorin, die mir alles erklärt hat und so habe sogar ich alles geschafft. Der zweite Test war Englisch. Ich habe die Aufgabenstellung oft ziemlich seltsam gefunden und werde wahrscheinlich keine 100 (was in Costa Rica das beste ist) bekommen, aber das macht nichts, denn der Test war ziemlich einfach und ich bin überzeugt, dass ich eine gute Note bekommen werde.

In der Schule hatte ich noch ein schönes Erlebnis. Ich habe am Freitag nach dem Test meine Schwester gefragt, wie ihr Test war. Ich habe die Frage tatsächlich ohne jegliche Hilfe gestellt und die Antwort darauf problemlos verstanden. Darauf hat meine Schwester etwas sehr Schönes gesagt, was mir sicher für eine lange Zeit in Erinnerung bleiben wird. Sie hat etwas gesagt wie „Dein Spanisch ist schon besser geworden“. Ein total simpler Satz, über den man sich normalerweise nicht sonderlich freut, aber für mich war das so ziemlich der erste merkliche Fortschritt. Mit diesem Ereignis war der erste merkliche Fortschritt erreicht. Und das habe nicht nur ich bemerkt, das Allerschönste ist, dass das auch anderen auffällt. Nicht nur ich habe gemerkt, dass ich sprachlich einen Forstschritt mache, sogar jemand anders hat das bemerkt und hat mich dafür gelobt. Ich kann es nur nochmal sagen, denn es klingt wirklich lächerlich, es ist nur ein ganz simpler, banaler Satz, aber für mich hat er unglaublich viel bedeutet. Ein kleiner Schritt mit großer Auswirkung.

Auch von Zuhause gibt es Neuigkeiten. Ich habe, bis ich nach Costa Rica gekommen bin, noch keinen Kaffee getrunken. Ihr merkt es schon noch. Ich habe mir von meinem Bruder einreden lassen, dass ich doch Kaffee wenigstens einmal probieren sollte. Ich tat wie mir geheißen und tatsächlich, mir hat der Kaffee ziemlich gut geschmeckt. Ich habe bereits an verschiedenen Orten verschiedene Kaffeesorten probiert, muss aber anmerken, dass mir nur der Kaffee von zuhause von meiner Mama schmeckt. Heute hatte ich bereits meinen dritten Kaffee und wenn ich so darüber nachdenke spricht auch nichts gegen einen Vierten. Für gewöhnlich trinke ich meinen Kaffee schwarz (obwohl alle ihren Kaffee mit Zucker trinken) hin und wieder auch mit Milch.

Ich muss noch etwas von meinem letzten Blog korrigieren. Ich habe geschrieben, dass Ampeln nur Dekorationsobjekte sind, das ist aber nur halb richtig. Wie ich herausgefunden habe, werden Ampeln sowie Zebrastreifen zwar nicht sonderlich häufig benutzt, aber es gibt Ampeln, vor allem auf Kreuzungen, die Autofahrer sehr wohl respektieren. Da die Straßen in den Städten aber viel größer sind und viel mehr Spuren haben, sieht es für einen Fremden, der mit einer Situation dieser Art nicht vertraut ist, so aus, als ob kein Auto stehen bleiben würde. Das ist aber nicht der Fall, es bleiben einige Autos stehen, doch um den Verkehr einigermaßen im Fließen zu halten und nicht in einem totalen Stau zu enden, müssen dennoch möglichst viele Ampeln gleichzeitig auf grün sein. So kann es zum Beispiel sein, dass die Fußgängerampel grün ist und man über die Straße geht, aber einige Autos trotzdem über den Zebrastreifen fahren, da die Abbieger gerade grünes Licht haben.

Ich wünsche euch allen weiterhin schöne Ferien, eine wunderbare Zeit, wo immer ihr auch gerade seid und verabschiede mich hiermit.

Ganz liebe Grüße aus Costa Rica und Pura Vida!

Timo