Abschlussbericht: Austausch Muscatine (USA) – Graz (AUT)

Im Februar 2022 erhielten Grazer Gymnasien ein Informationsmail über ein gezahltes Lehrer:innen-Austauschprogramm zwischen Graz und Muscatine, einem kleinen Ort in Iowa, USA. Wir (Laura Cencig, Sandra Hassler, Anna-Lena Kahlbacher, Marion Klösch und Lina Larsson) bewarben und unverzüglich und durften uns schon kurze Zeit später über die Rückmeldung freuen, für das Programm ausgewählt worden zu sein. Im Zuge eines ersten persönlichen Kennenlernens mit der AFS Österreich Koordinatorin, Frau Ingeborg Suppin-Fabisch, wurden uns im Frühjahr 2022 die Eckpfeiler des Programms nähergebracht und Einblicke in die kommenden Schritte gegeben.

In Vorbereitung auf den im Herbst stattfindenden Austausch absolvierten alle österreichischen und amerikanischen Programmteilnehmer:innen im Laufe des Sommersemesters das sogenannte Global Competence Certificate, eine in mehrere Module unterteilte online-Fortbildung zu Themen wie kulturelles Bewusstsein, Diversität und Toleranz. Mehrere online-Treffen, geleitet von Jill Woerner und Krista Regennitter von AFS USA, dienten zum einen dem persönlichen Kennenlernen der Austauschpartner:innen, zum anderen dem Festigen und Reflektieren der zuvor erarbeiteten Modul-Inhalte.

Am Freitag, den 21. Oktober 2022, startete das Programm schließlich mit dem Flug der österreichischen Teilnehmerinnen von Wien nach Chicago. Dort angekommen hatten wir zwar die ein oder andere Frage der amerikanischen Einwanderungsbehörde zu beantworten, wirklich in Erklärungsnot geriet aber zum Glück niemand. Tristan und Charlie, zwei unserer Gastgeber, hatten die rund dreistündige Autofahrt von Muscatine nach Chicago auf sich genommen, um uns persönlich vom Flughafen abzuholen. Von dort ging es direkt weiter nach Davenport, wo, neben dem Kennenlernen der anderen amerikanischen Lehrerinnen, auch schon das erste Highlight anstand: ein Highschool-Footballspiel zwischen der Muscatine High School und der Davenport West High School. Dieses wartete mit sämtlichen Eigenheiten des amerikanischen High School-Sports, angefangen von der Aufforderung, sich für die Nationalhymne zu erheben, über eine groß aufspielende Schulkapelle bis hin zu Cheerleading-Einlagen, auf. Die Tatsache, dass die Muscatine High School, an der unsere Austauschpartner:innen unterrichteten und an der wir im Laufe der kommenden Tage noch viel Zeit verbringen würden, an diesem Abend spielerisch nicht auf der Höhe agierte, ging neben dem allgemeinen Kennenlernen fast ein wenig unter.

Angefangen mit einem Welcome Brunch in Muscatine, dem unter anderem auch der Bürgermeister und andere wichtige Vertreter des Ortes beiwohnten, wurde das Wochenende zum Ankommen, Kennenlernen und Erholen genutzt. Das Wetter zeigte sich in den ersten Tagen nach unserer Ankunft von seiner besten, spätsommerlichen Seite, was von uns für Spaziergänge, Wanderungen und Radtouren genutzt wurde.

Ab Montag erwartete uns schließlich ein dichtes Programm. Im Zentrum stand dabei das Kennenlernen der Muscatine High School sowie das Hospitieren möglichst vieler Lehrpersonen und Unterrichtsgegenstände. Dabei durften wir die Erfahrung machen, dass sich beinahe sämtliche Lehrer:innen der High School äußerst hilfsbereit und offen zeigten und sich durchwegs bereit erklärten, uns in ihren Unterricht mitzunehmen. So konnten wir nicht nur unsere eigenen Fächer hospitieren, sondern auch uns bis dato gänzlich unbekannte, darunter Child Development. In diesem Fach lernen Schüler:innen nicht nur die Grundlagen im Umgang mit Babys und Kleinkindern, sondern erhalten auch Einblick in rechtliche und medizinische Fragen rund um das Elternsein.

Zusammengefasst lassen sich unsere Eindrücke des Schulsystems folgendermaßen festhalten: Die Digitalisierung des Schulsystems ist in den USA schon deutlich weiter fortgeschritten, Schulbücher und Hefte werden nicht mehr verwendet und alle Schüler:innen und Lehrpersonen sind mit Laptops ausgestattet. Diese werden von den Schüler:innen jedoch nicht selten zum heimlichen Spielen/Chatten etc. während des Unterrichts verwendet.

Auch abseits der digitalen Ausstattung lässt die Muscatine High School keine Wünsche offen. Mehrere hochmoderne Turnsäle, Krafträume, ein Indoor-Schwimmbecken und viele weitere Sportanlagen decken die gesamte Bandbreite sportlicher Möglichkeiten ab. Auch in Bezug auf die psychologische Betreuung der Schüler:innen scheinen amerikanische Schulen schon sehr viel weiter zu sein als österreichische. Geschultes Fachpersonal bietet im eigens dafür eingerichteten Student Centre psychologische Beratung ebenso an wie Hilfestellungen in Laufbahnfragen oder bei sozialen Problemen.

Zusammengehörigkeitsgefühl und Patriotismus haben im amerikanischen Schulwesen einen gänzlich anderen Stellenwert als wir es von Österreich gewohnt sind. Das Schullogo und die jeweiligen Schulfarben ziehen sich durch das gesamte Gebäude und finden auch Ausdruck in den von vielen Schüler:innen getragenen T-shirts, Pullovern etc. (Dieses Phänomen konnten wir auch an anderen von uns besuchten Schulen beobachten.) Die Korridore, Klassenzimmer und Gemeinschafträume diverser Schulgebäude werden zudem von unzähligen motivierenden Sprüchen und Lebensweisheiten geziert, wobei nicht selten unbegrenzte Möglichkeiten jedes/r Einzelnen hervorgehoben werden. Auf Unverständnis unsererseits stieß die jeden Morgen pünktlich um 8:20 durchgeführte „Pledge of Allegiance“, im Zuge derer sich Schüler:innen und Lehrpersonen gleichermaßen zur nächstbesten Flagge drehen und ihrer Nation die Treue schwören sollen. Um ehrlich zu sein fiel es uns etwas schwer, diese Tradition mit unserem Demokratieverständnis zu vereinbaren. An dieser Stelle sei auf eine weitere, für uns zentrale, Beobachtung verwiesen. In mehreren persönlichen Gesprächen erklärten uns amerikanische Lehrer:innen, dass sie Themen wie Abtreibung, LGBTQ und Waffengesetze im Unterricht nicht thematisieren dürften. Die Tatsache, dass damit Debatten, die in unserem eigenen Unterricht teils sehr viel Raum erhalten, im amerikanischen Schulwesen gar nicht erst geführt werden, schockierte uns zugegebenermaßen sehr.

Unsere Gastgeber:innen waren bemüht, uns nicht nur die örtliche High School, sondern das gesamte Schulwesen näherzubringen. So besuchten wir im Laufe unseres Aufenthalts auch eine Elementary School, eine Middle School, ein Community College sowie die University of Iowa in Iowa City. Dabei wurden wir stets mit großer Gastfreundschaft und ehrlichem Interesse uns gegenüber willkommen geheißen und die Verantwortlichen waren interessiert daran zu erfahren, wie gewisse Aspekte des schulischen Lebens in Österreich funktionieren. Auf dieselbe Offenheit trafen wir auch bei all den anderen, im Laufe unseres Aufenthalts für uns geplanten, Aktivitäten. Diese umfassten unter anderem den Besuch zweier Museen, diverse gemeinsame Essen, eine Führung durch ein bekanntes Agrarunternehmen, einen Ausflug nach Iowa City, das Erleben eines „Haunted House“ sowie, als finalem Höhepunkt, das Mitfiebern mit der Basketball-Mannschaft der Chicago Bulls in deren Heimstadion und die abschließende Sightseeingtour durch diese interessante Stadt.

Nachdem wir aufregende und intensive zehn Tage in Iowa verbringen durften, wurde Ende November unser Austausch in Graz fortgeführt. Bereits wenige Stunden nach Ankunft der amerikanischen Austausch-Lehrer:innen, wurden diese in eine ganz besondere österreichische Tradition eingeführt: dem Krampuslauf. In Köflach bestaunten sie die verkleideten Teufel, machten viele Fotos und durften sogar die Masken aufsetzen. Es war spannend zu sehen, wie eine für uns vollkommen normale Tradition auf Menschen einer anderen Kultur wirkt. Zunächst hatten wir Sorge, dass der Lauf eventuell etwas überfordernd sein könnte, wir wurden aber positiv überrascht. Alle Amerikaner:innen waren begeistert und haben sich voller Aufregung auf das Event eingelassen.

Anschließend stand am Sonntag ein Ausflug nach Stainz, Deutschlandsberg und umliegende kleine Örtchen im Fokus. Wobei der eigentliche Star die Kulinarik war (wie so oft diese Woche!). So kosteten sich während des Aufenthalts in Österreich alle durch das Beste der Steiermark bzw. des ganzen Landes: (Glüh-)Wein, Schilcher, Kürbissuppe, Eierschwammerl, Schweinsbraten, Semmelknödel, Rot- und Sauerkraut, Wiener Schnitzel, Gulasch, Kaiserschmarren, Apfel- und Topfenstrudel, Reindling, und zu guter Letzt auch ein Verdauungsschnapserl. Die Österreich-Woche stand sowieso im Zeichen der guten Küche, da wir unsere Esskultur und traditionellen Gerichte unbedingt herzeigen wollten. Auch hier fand viel Austausch statt: Wir haben erfahren, dass es sogar in Iowa so etwas ähnliches wie Wiener Schnitzel gibt, das sich „tenderloin“ nennt. Wie in Iowa, wurden auch diesmal viele, viele Rezepte ausgetauscht und Ideen zu einer amerikanisch-österreichischen Fusionsküche gesponnen.

Selbstverständlich waren die amerikanischen Gäste aber nicht nur zum Essen hier, denn ein großer Punt des Austauschprogramms liegt im Bildungsbereich. So wurden insgesamt sieben Schulen besucht (fünf davon während des täglichen Betriebs, zwei am Nachmittag), darunter sechs Gymnasien und eine Volksschule. Obwohl wir während der Zeit in Iowa schon viele Unterschiede im Schulsystem erkannt haben, wurde vieles auch hier in Österreich noch einmal klar. Da wir hier keine Gesamtschule haben, ergeben sich unweigerlich Fragen und andere Unterrichtsmodelle. Durch viele gemeinsame Gespräche mit den Amerikaner:innen hatten wir schlussendlich alle das Gefühl, dass sich unsere beiden Systeme etwas näher gekommen sind, da sich jede:r etwas für den eigenen Unterricht mitnehmen konnte, egal ob fachlich oder zwischenmenschlich.

Nach dem ersten Wochenende in der ländlichen Steiermark und fünf Tagen im Grazer Alltagstrubel verbrachten wir das zweite Wochenende gemeinsam in Wien, was laut amerikanischen Austauschlehrer:innen eines von vielen Highlights war. Hier erlebten sie die österreichische Vorweihnachtszeit und teilweise auch Weihnachts-Verrücktheit am eigenen Leib und gingen total darin unter und auf. Den Abschluss der neun Tage in Österreich bildete der Besuch eines Maturaballes in Graz, der laut vieler Aussagen sehr anders als die typische amerikanische „promnight“ war. Wir feiern mit Alkohol, was in den USA unvorstellbar wäre, und man war auch erstaunt, dass Eltern und Freunde anwesend waren. Amerikanische Schulbälle sind exklusiv nur für Schüler:innen ab 16 Jahren zugänglich.

Abschließend bleibt uns nicht viel zu sagen, außer: DANKE. Danke für diese Möglichkeit, danke für neue Freundschaften, danke für das Erweitern des Horizontes und neue Sichtweisen bzw. Blickwinkel. Danke für zehn atemberaubende Tage in Iowa. Danke für neun abenteuerliche Tage in Österreich. DANKE AFS!