Laura ist eine unserer Stipendiatinnen und als Austauschschülerin mit AFS in Island – hier lesen Sie über Ihre Erfahrungen.

Laura in Island

Ich bin jetzt schon fast acht Monate hier in Island und jeder Blick in den Kalender erinnert mich daran, wie unglaublich schnell die Zeit vergangen ist. Manchmal habe ich das Gefühl als wäre ich gerade erst angekommen und hätte das ganze Austauschjahr noch vor mir und ein andermal, wenn ich über das nachdenke, was ich schon alles erlebt habe, fühlt es sich an wie mein halbes Leben. In den letzten acht Monaten habe ich einzigartige, wunderschöne Erfahrungen gemacht, aber auch Elende, Anstrengende und Nervenaufreibende waren Teil meines Austausches. Jedoch in genau diesen Momenten, in denen ich meine Stärke zeigen musste, habe ich viel über mich selbst, meinen Charakter und meine Art des Umgehens mit verschiedenen Situationen gelernt, was mir in meinem weiteren Leben sicher zu gute kommen wird.

Laura beim Schafefüttern
Beim Füttern der Schafe am Bauernhof meines Onkels

Weihnachten ist in Island eine Zeit von großer Bedeutung, die sehr ausgiebig gefeiert wird. Da um diese Zeit, zumindest in meiner Stadt im Norden, die Sonne sich gar nicht mehr blicken lässt und es nur drei Stunden pro Tag hell ist, werden die Häuser und Gärten mit Lichterketten und Weihnachtsdekoration geschmückt. Durch den vielen Schnee wird die Stadt zusätzlich aufgehellt und es entsteht eine richtig weihnachtliche Atmosphäre. Für mich war es ein einzigartiges Gefühl am Abend im Dunkeln durch die hell beleuchteten Straßen im Schnee zu stapfen und die weihnachtliche Stimmung zu genießen. Auch die Traditionen hier unterscheiden sich sehr von unseren in Österreich. Angefangen bei den dreizehn Weihnachtsmännern, die in der Vorweihnachtszeit jeden Tag einzeln zu Besuch kommen, bis zu dem zwei bis drei Monate lang gerotteten Rochen, der am 23. Dezember verspeist wird. Schon vor meinem Austauschjahr hatte ich davon gehört und mir natürlich vorgenommen diesen auch zu probieren. Als ich jedoch den speziellen Geruch schon von draußen riechen konnte, habe ich daran gezweifelt. Trotz allem hatte ich einen Teller vor mir, mit dem sogenannten ‚Skata’ und noch ein paar anderen isländischen traditionellen Gerichten, meine „Verwandten“ waren um mich versammelt um zu sehen wie es mir bei dem Probieren erging. Mir persönlich hat es nicht wirklich gut geschmeckt und ich wäre nicht sicher ob ich es ein anderes Mal noch einmal essen würde, aber es war definitiv eine Erfahrung wert.

Laura mit ihren Gasteltern am Heiligen Abend
Meine Eltern und ich am Heiligen Abend

Die Zeit um den Heiligen Abend bis Silvester wird in Island sehr familiär gestaltet. Etliche Verwandten sind uns im Norden besuchen gekommen und jeden Tag gab es ein großartiges, gemeinsames Abendessen gefolgt von einem Spieleabend. Es war wunderschön den Zusammenhalt der Familie zu erleben und die gute Stimmung zu spüren, jedoch war es für mich schwer ein Teil davon zu sein. Die Sprache bereitete mir nach wie vor noch große Schwierigkeiten und außerdem traten immer mehr Probleme mit meiner Gastfamilie auf. In den ersten Monaten versuchte ich darüber hinwegzukommen, aber die Probleme wurden größer und größer und mit der Zeit merkte ich wie meine Stimmung immer mehr bergab ging. Da mein Gastbruder meine Anwesenheit mit der Zeit gar nicht mehr akzeptierte und mir dies auch täglich mit seinem Verhalten zeigte, fühlte ich mich zu Hause nicht mehr wohl. Auch meine große Schwester zog sich sehr zurück und zeigte kein Interesse mit mir Konversationen zu führen. Da wir in der Vorweihnachtszeit sehr viel Zeit miteinander verbracht haben, wurde mir bewusst, dass ich an der derzeitigen Situation etwas ändern musste. Kurz nach Weihnachten bat ich um ein Gespräch mit meinen Gasteltern und versuchte die Probleme anzusprechen. Für mich war dies sehr schwer, weil ich es einfach unglaublich finde wie viel meine Gasteltern für mich bereits getan haben und in den kommenden Monaten noch tun würden, aber trotz allem sollte ich mich im Haus wohlfühlen. Meine Eltern unterstützen mich wo sie konnten, bemühten sich um eine Lösung der Probleme mit den Geschwistern, die jedoch nicht gefunden werden konnte. Aufgrund der guten Beziehung die ich bereits mit den Eltern aufgebaut hatte, beschloss ich jedoch, nicht Familie zu wechseln.

Laura am Arctic Circle
Ein Tagesausflug mit Freunden aus der Universität zum ‚Arctic Circle’

Anfang Januar bin ich dann für eine Woche nach Reykjavík, die Hauptstadt Islands, gefahren um ein bisschen Abstand zu gewinnen und andere Austauschschüler wieder zu treffen. Da Island sehr klein ist, bin ich schon öfters in der Hauptstadt gewesen und habe auch dort einige Freundschaften geschlossen. Ich habe es sehr genossen alle wiederzusehen, gemeinsame Sachen zu unternehmen und die schon vorhandene Freundschaft zu vertiefen.

Laura in Island

Kurz nachdem ich wieder in Akureyri, meiner Stadt, angekommen bin, begann das neue Semester und der Alltag ist wieder eingekehrt. Die Schule hat mir im ersten Semester recht viel Energie gekostet, da sie im Vergleich zu Österreich ziemlich lange ist und ich fast den ganzen Tag dort verbracht habe. Außerdem sind Isländer sehr zurückgezogen und verschlossen, was natürlich das Knüpfen von Freundschaften erschwerte. Aber in meiner ersten Schulwoche des neuen Semesters bemerkte ich, dass mir meine Klasse trotz allem ans Herz gewachsen ist und auch ich ein Teil der Klasse und deren Freundschaften bin. Da ich über die Weihnachtsferien große Fortschritte in Isländisch gemacht hatte, konnte ich den Gesprächen meiner Klassenkameraden folgen und sogar Teil einer Konversation sein, ohne dass jemand Sätze in Englisch übersetzte, was unsere Freundschaft um einiges stärkte. Die Schule war für mich nun wie ein zweites Zuhause. Da ich in meiner Familie noch immer einige Probleme hatte und ich mich nicht sehr wohlfühlte, war ich sehr glücklich, dass mir die Zeit, die ich in der Schule verbrachte, jetzt sehr gut gefiel. Auch gegen Abend versuchte ich so viel Zeit wie möglich außer Haus zu verbringen, Freunde zu treffen, gemeinsam in ein Kaffeehaus oder essen zu gehen, Filme zu schauen oder einfach nur zu reden. Die meiste Zeit schaffe ich es, mein Austauschjahr so zu genießen, wie es eben ist, aber ab und zu kommen mir Zweifel auf und ich vergleiche mich mit den anderen Austauschschülern und deren Familien. Da ich versuchte so wenig Zeit wie möglich zu Hause zu verbringen, kam mir der Gedanke, die Chance für eine gute Beziehung mit meiner Gastfamilie verpasst zu haben. Ich machte mir Vorwürfe, nicht mein Bestes gegeben zu haben und zweifelte ein gutes Austauschjahr zu erleben.

Laura in Island

Anfang Februar hatten wir ein verlängertes Wochenende, organisiert von AFS, zu welchem wir uns freiwillig anmelden konnten. Da es kein offizielles Camp war nutzten wir die meiste Zeit zum Reisen. Es war wunderschön alle Austauschschüler wieder zu sehen und gemeinsam die isländische Natur zu erkunden. Ich persönlich finde AFS Wochenenden einzigartig, aufgrund der dort herrschenden freundlichen Stimmung, der verschiedensten Kulturen die aufeinandertreffen und der Wärme, mit der jeder aufgenommen wird. Jeder wird so akzeptiert wie er ist und auch die Beziehung zwischen den Freiwilligen und den Austauschschülern ist freundschaftlich. Ich habe diese Tage sehr genossen und sehr zu meiner Freude gab es einen Monat später ein anderes Camp, in welchem wir sogar die Chance hatten, den Präsidenten von Island, Gúðni Jóhannesson, zu treffen. Ich fand es sehr aufregend ihn zu Hause zu besuchen und persönlich kennen zu lernen. Ebenfalls unternahmen wir kleine Tagestouren, besuchten die schwarzen Sandstrände, wanderten an der Küste entlang und fuhren durch die moosbewachsenen Lavafelder.

Laura zu Besuch beim Präsidenten
Zu Besuch bei dem Präsidenten

Da dies das letzte Camp vor der Abreise war, hatte jeder von uns ein persönliches Gespräch über unsere bisherigen Erfahrungen in dem Austauschjahr, bei welchem ich die Gelegenheit nutzte und meine derzeitige Situation mit meiner Familie ansprach. Über meine Probleme zu reden half mir sehr, da ich mich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht stark damit befasst und alles mit einem ‚Es wird schon irgendwie gehen’-Blick betrachtet habe. Auch lernte ich die Situation aus der Perspektive meiner Eltern zu sehen, für die die angespannte Atmosphäre in der Familie sicher auch nicht angenehm war. Als ich dann nach dem Camp wieder zu Hause angekommen bin, versuchte ich, die Beziehung mit meinen Eltern zu stärken und mich von dem Verhalten meiner Gastgeschwister nicht beeinflussen zu lassen. Ich nahm mir auch vor, mehr Fokus auf die positiven Aspekte in meiner Familie zu legen, anstatt über die Negativen nachzudenken und diese zu verbessern suchen. Ich konnte die positiven Auswirkungen dieses Umdenkens sehr spüren. In kurzer Zeit wuchsen meine Gasteltern und ich mehr zusammen als in den ganzen letzten Monaten. Ich begann mich zu Hause wohl zu fühlen und verbrachte sehr viel Zeit auch unter der Woche mit meinen Eltern. Wir tranken am Abend gemeinsam Tee oder schauten einen Film, gingen gemeinsam Spazieren oder machten an Wochenenden kleine Ausflüge.

Laura bei einer Reise mit ihrer Gastfamilie
Meine Gastfamilie und ich bei unserer ‚spontanen’ Reise

Planen ist eine Sache, die Isländern sehr unbekannt ist. Alle Unternehmungen erfolgen spontan oder werden nur wenige Tage im Voraus geplant. Ich war nicht sehr überrascht, als mein Gastvater mir, als wir auf dem Weg zu Schule waren, erzählte, dass wir vielleicht eine Reise um ganz Island machen und diese Idee wenige Tage später auch umsetzten. Über die Reise freute ich mich sehr, da ich die Landschaft in Island unglaublich faszinierend finde und auch mehr Zeit mit der Familie verbringen wollte.

Laura mit ihrer Gastschwester
Meine kleine Schwester und ich am Diamanten Strand im Süden Islands

Am ersten Wochenende der Ferien starteten wir, meine Eltern, meine kleine Schwester und ich, den Ausflug und fuhren von Akureyri in den Osten. Da wir gleich nach der Schule losfuhren und es eine etwas längere Strecke ist, war es leider nur am Anfang hell. Aber dafür konnten wir, kurz bevor wir in Fáskrúðsfjörður bei unserem Hotel ankamen, nicht nur den Vollmond über den schneebedeckten Bergen, sondern auch Nordlichter sehen, die an diesem Abend besonders stark waren. Der Himmel war voll mit grünen, weißen und sogar an manchen Stellen leicht pinken, tanzenden Lichtern. Am nächsten Tag wachten wir früh am Morgen auf, die Sonne stand am Himmel und es war keine einzige Wolke zu sehen. Wir hatten wirklich Glück mit dem Wetter, da Island ja für Regen und Wetterumstürze bekannt ist. Wir fuhren die ganze Küste vom Osten bis in den Süden, wo wir in unserem Sommerhaus übernachteten, entlang. Der Ausblick war großartig. Auf der rechten Seite das im Vergleich zu anderen Tagen eher ruhige Meer und links die zuerst im Osten hohen, steilen Berge, welche gegen Süden immer flacher und moosbewachsener wurden. Einmal überquerten sogar Renntiere vor uns die Straße. Aber nicht nur die Landschaft machte diese schöne Reise aus. Da wir eine lange Strecke zu fahren hatten und sehr viel Zeit gemeinsam im Auto verbrachten, konnte ich die Stärkung des Zusammenhalts zwischen meiner Familie und mir deutlich spüren. Wir spielten Spiele, sangen zu Liedern, erzählten Geschichten… es war einfach wunderschön!

Isländische Landschaft
Die typische isländische Landschaft

Auch in den nächsten Tagen unternahmen wir Tagestouren. Wir besuchten den bekannten Wasserfall ‚Gullfoss’ und hielten an um Geysire zu sehen. Diese Reise war eine der schönsten Erlebnisse in meinem bisherigen Austauschjahr, einerseits wegen der Erfahrungen aber auch der Familiengefühle, die sich in dieser Zeit entwickelt haben. Ich beschloss noch ein paar Tage länger in Reykjavík, der Hauptstadt, zu bleiben, während meine Schwester und meine Gasteltern zurückfuhren, um Zeit mit meinen Großeltern und Austauschschülern zu verbringen. Mit Freunden durch die Straßen in Reykjavik zu spazieren, in Kaffeehäuser zu gehen oder einfach nur an der Küste die Sonne genießen waren ebenfalls wertvolle Teile meiner Ferien.

Laura beim Fischen

Als ich wieder zu Hause angekommen bin, bot mir mein Großvater, welcher in Akureyri wohnt, an, mit ihm auf seinem Boot im Fjord fischen zu gehen. Natürlich konnte ich zu einer so isländischen Erfahrung nicht nein sagen. Da das Wetter in Island nicht sehr beständig ist, schien die Sonne bevor wir losfuhren, jedoch zog es in kurzer Zeit zu und begann zu schneien, als wäre es Dezember. Diese Wetterumstände werden von Isländern aber als ‚normal’ gesehen, deswegen fuhren wir trotz allem auf das Meer hinaus. Ich konnte weder das Land an beiden Seiten, noch den Unterschied zwischen Meer und Himmel sehen. Nach ein paar Stunden sind wir mit kalten Fingern und Zehen, aber einem relativ großen Fang zurück zum Hafen gefahren. Trotz den nicht ausgezeichneten Wetterverhältnissen hatte ich den kurzen Ausflug sehr genossen!

Die Osterferien vergingen wie im Flug. Am nächsten Tag begann die Schule wieder und der Alltag kehrte ein. Einerseits wünschte ich mir noch etwas länger Ferien zu haben und die Freizeit genießen zu können, aber anderseits freute ich mich schon sehr, meine Klasse und die isländischen Freunde wieder zu sehen. Mein Austausch ist bis jetzt eine wunderschöne, einzigartige Erfahrung gewesen, trotz einigen Schwierigkeiten. Vor allem freue ich mich schon auf die nächsten zwei Monate. Da ich, so wie jeder andere Austauschschüler, in der ersten Zeit damit beschäftigt war, mir mein Leben in dem neuen Land erst aufzubauen, neue Freundschaften zu knüpfen, mich in einer anderen Kultur einzuleben und vieles mehr, war es der Anfang wunderschön, aber auch sehr anstrengend. Jetzt bin ich zu einem Punkt gekommen wo ich mein Jahr durch und durch genießen kann und jeder Moment einzigartig ist!