Pura Vida liebe LeserInnen!

Den heutigen Blog möchte ich gerne mit einer kleinen Sensation beginnen, zumindest für mich ist es eine Sensation, auch wenn es für euch vielleicht nicht so spannend klingt. Aber das hier ist der zehnte Eintrag, was so viel heißt wie am Sonntag bin ich seit zehn Wochen hier. Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen: zehn Wochen das sind 70 Tage. 70 Tage bin ich hier und mir kommt es vor als wäre es gestern gewesen. Ich meine, natürlich ist viel passiert, ich war auf sämtlichen Camps, Ausflügen, war unzählige Male in der Schule, habe die Sprache bereits ein wenig gelernt, habe mich super in meiner tollen Familie eingelebt, habe tolle neue Freunde gefunden, mit denen ich immer gerne meine Zeit teile. Aber irgendwie hat auch all das ein bisschen einen bitteren Beigeschmack. Denn ich weiß nun mal, dass meine Zeit begrenzt ist, Ich könnte natürlich jetzt anfangen noch viel philosophischer zu werden und damit zu argumentieren, dass unsere Zeit immer begrenzt ist, aber das will ich gar nicht, natürlich haben wir nie unendlich viel Zeit, selbst wenn wir uns das oftmals wünschen würden. Aber ich finde hier in Costa Rica, in meinem Austauschprogramm, ist das Ganze einfach noch viel stärker zu spüren, weil es eben „nur“ ein Jahr ist, weil ich eben eine sehr begrenzte Zeit habe.

Und ich glaube genau deswegen, genau weil ich nicht so viel Zeit habe sollte ich jeden Tag genießen, so wie ich es bisher getan habe. Ich bereue nichts, jeder Tag hatte seine schönen Momente, ganz egal ob ich jetzt zurückdenke an den ersten Tag in meiner Familie, an meine erste Tanzstunde, meinen ersten Test in der Schule, oder überhaupt erst meinen ersten Schultag. Ganz zu schweigen natürlich von den unglaublichen Momenten die ich erleben durfte, als meine Stimme (Technik sei Dank) in wenigen Sekunden um die halbe Erde gereist ist. Von einem Handy zum anderen, und ich die Stimme meiner Freunde, meiner Familie hören konnte. Aber natürlich auch alle wunderschönen Momente im Camp, gemeinsam mit anderen Austauschschülern, meine ersten sprachlichen Fortschritte, als ich das erste Mal einen Fremden verstanden habe.

Ich glaube es geht gar nicht darum alles zu machen, jeden Strand zu sehen und jeden Vulkan zu besteigen. Versteht mich nicht falsch, das ist sicher auch etwas sehr, sehr Schönes und das will ich auch gar nicht aus den Augen verlieren, aber ich denke es geht vielmehr um die kleinen Momente, die schönen Momente, die Momente mit meiner Familie hier, mit meinen Freunden hier und natürlich auch die Momente an denen ich meine Freunde und Familie in Österreich daran teilhaben lasse. Ich glaube das sind die Momente, die diesen Austausch so besonders machen, ich glaube das sind die Momente die meinem Aufenthalt seine Magie verleihen und ich glaube, dass das die Momente sind, an denen ich wachse.

Wow. Das ist ziemlich deep geworden 😀 egal vielleicht gefällt es euch ja. Nichts desto trotz muss ich jetzt anfangen über meine Woche zu erzählen, sonst lest ihr euch noch eure Augen wund.

Da fällt mir ein, so viel ist diese Woche gar nicht passiert. Nachdem der Hurrikane sich am Montagabend endlich und endgültig aus Costa Rica verabschiedet hat, hatten wir am Dienstag wieder Schule. Ich habe im Nachhinein erfahren, dass der Grund für den Ausfall der Schule eine nationale Sicherheitseinstufung „rot“ war und demnach die Anweisung von der Regierung kam alle Schulen sowie alle anderen regierungsnahen Arbeitsstellen zu schließen, bis die Sicherheit aller wieder gewährleistet ist. Am Dienstag ist dann also nach einigen schulfreien Tagen alles wieder in den Normalzustand zurückgekehrt. Ja ich weiß ich wiederhole mich, aber so ein „normal“ gibt es hier fast nicht. Aber wie ich oben schon erwähnt habe: jeder Tag hat seine besonderen Seiten und deswegen ist kein Tag wie der andere (übrigens das wird sicher nicht das letzte Mal sein, dass ich mich auf diesen kleinen Ausschnitt beziehe – gern geschehen ;))

Ach ja die Mühlen der Bürokratie sind langsam, auch in Costa Rica, oder sollte ich sagen gerade in Costa Rica? Gerade der VISA Prozess geht hier sehr langsam von Statten. Aber ich will auf etwas anders hinaus. Wie ich euch ja erzählt habe, bin ich zwischen den zwei Klassen 10-3 und 11-2 hin und her gewechselt. Das erste Mal wegen der Pasantia, dann wieder zurück in 11-2 dann doch wieder in 10-3. Hab ich alle schon erzählt, weiß ich auch, deswegen gehe ich auch nicht genauer darauf ein. Aber es gab jetzt am Mittwoch ein kleines Problem. Für meine Mama, meine Schwester, meine Klassenkollegen und sämtliche Lehrer wäre es ja kein Problem gewesen, aber jetzt nach ich glaube einem Monat, meinte der Assistent des Direktors sich wichtigmachen zu müssen und jetzt durchsetzen zu müssen, dass ich wieder in die Klasse 11-2 gehe. Das hat mir meine Mama ich glaube am Sonntagabend gesagt, sie hat aber auch gesagt, dass ich das nicht so ernst nehmen und soll und, falls doch irgendwas sein sollte, ich sagen sollte, dass ich nichts verstehe, sie meinte ich soll das nicht so ernst nehmen und wenn es mir in 10-3 besser gefällt soll ich auch einfach dort bleiben. Gesagt getan, ich bin einfach weiter in die Klasse 10-3 gegangen. Donnerstag kurz vor der Mittagspause passierte das Offensichtliche und doch wie aus heiterem Himmel kam der Assistent in die Klasse und meinte er will mich kurz sprechen. Ich wusste natürlich worum es ging und ich habe ihn auch verstanden, weil er mit mir wie mit einem Deppen geredet hat. Trotzdem habe ich versucht zu tun, was mir meine Mama gesagt hat, aber er hat mir so bildlich klar gemacht, dass ich nicht mehr in diese Klasse gehen darf, dass ich schließlich nachgegeben habe und in die andere Klasse gegangen bin.

Die darauffolgenden Tage bin ich also einstweilen mit meiner Schwester in der Klasse gewesen, aber das Ganze ist nicht so folgenlos geblieben wie ich gedacht habe. Er hat nämlich auch mit meiner Schwester geredet, dass sie sozusagen auf mich aufpassen soll. Und wie ich erst vor kurzem erfahren habe, hat er auch meine Mama angerufen. Das wäre für einige andere vielleicht eine Strafe gewesen, aber ich habe ja das Glück so eine coole Gastmama zu haben, dass sie das nicht einfach hingenommen hat, ich meine es war ihr egal, dass er sich aufregt, aber sie hat es nicht auf sich sitzen lassen und hat argumentiert, warum es sinnvoller für mich wäre in 10-3 zu sein. Er hat zwar nicht ganz klein beigegeben, aber er meinte wenn sie ein Anliegen hat, dann soll sie doch einen Brief an den Herrn Direktor schreiben. Ein bisschen erbost und doch ein bisschen erheitert hat sie also am Donnerstag einen Brief an den Herrn Direktor geschrieben und diesen meiner Schwester und mir in die Schule mitgegeben. Weiteres weiß ich noch nicht, aber ich werde auch auf den neusten Stand bringen sobald ich mehr weiß.

Ein besonders schönes Ereignis, diesen Freitag, war folgendes. Wie ich ja gerade ausführlich beschrieben habe bin ich ja noch mit meiner Schwester in der Klasse. Und die Klasse meiner Schwester hatte an diesem Freitag Englisch Test. Wie ich sicher schon mindestens einmal beschrieben habe ist das Englisch-Niveau in Costa Rica nicht das Beste. Nachdem ich mir aber nicht besonders schwer tue in Englisch, weder in Österreich noch in Costa Rica, hat mich meine Schwester gebeten mit ihr zur lernen. Natürlich habe ich ihr geholfen so gut es halt ging. Ich habe sicherlich einiges in Spanisch dazu gelernt, aber ich habe auch einige Male den Übersetzer gebraucht um ihr zu erklären, was das ein oder andere Wort bedeutet. Das war aber kein sonderliches Problem, denn sie hat im Endeffekt alles verstanden und hat den Test mit einem guten Gefühl abgeschlossen.

Was für mich aber das Schöne daran war, ist der Satz den sie zu ihren Freundinnen gesagt hat. Sie meinte stolz „Timo war mir eine große Hilfe!“ Natürlich nicht auf Deutsch, aber ich habe verstanden was sie gesagt hat. Das ist wieder eine dieser „Kleinigkeiten“. Eine Kleinigkeit die den Tag zu etwas Besonderem macht, die dem Tag einen besonderen ganz eigenen Charme verleiht. Und auch wenn es jetzt für einen Normalmenschen nicht so besonders klingen mag, aber für mich bedeutet es einfach unglaublich viel, nicht nur weil ich ihr helfen konnte, sondern auch weil sie darüber so glücklich war und weil sie den Test mit einem positiven Gefühl abschließen konnte.

Natürlich war ich diese Woche auch wieder in meinen Gitarrenstunden und meiner Tanzstunde. So viel gibt es da gar nicht zu sagen, außer vielleicht, dass ich mir in der Tanzschule schon viel leichter tue als am Anfang. Auch das ist wieder logisch, aber hier ist eben alles was logisch erscheinen mag nochmal was Besonderes, weil abgesehen davon dass hier alles anders und neu ist, man die Gewohnheiten von zuhause nicht hat, man hat am Anfang keine Freunde mit denen man sich schnell mal trifft, man ist in einer anderen Familie, einem anderen Haus, mit anderen Sitten und Bräuchen und so wird selbst eine klitzekleine Kleinigkeit etwas ganz Besonderes und Großes.

Mit diesem Satz möchte ich meinen Blog dann auch schon wieder beenden, auch wenn es nicht so viel über die Woche zu sagen gab, hat es mir sehr gut getan euch diese für mich so wichtige Message zu übermitteln, ich glaube jetzt kann der ein oder andere noch ein Stück besser verstehen, wie es mir hier in Costa Rica so geht. Und eben auch für mich ist es nicht nur sehr angenehm gewesen mir das einmal von der Seele zu schreiben, sondern sicherlich auch eine wundervolle Erinnerung. Mit diesem Schlusssatz verabschiede ich mich wie immer mit

Ganz liebe Grüße aus Costa Rica und Pura Vida!